Gewohnheiten machen uns das Leben leichter – sie ermöglichen uns Automatismen, die uns das häufig doch so komplizierte Leben vereinfachen und Momente, in denen man mal nicht nachdenken muss. Fragt mich jemand, was ich trinken möchte, habe ich immer eine Antwort parat: Das, was ich sonst immer trinke. Dafür musste ich nicht nachdenken – Praktisch!
Genauso machen es uns “schlechte” Gewohnheiten aber auch schwer, diese abzulegen. Wenn ich abends auf der Couch liege, denke ich gar nicht groß darüber nach, sondern hole mir gleich (meist auf den Weg dahin) was Süsses, weil ich mir das so angewöhnt habe – das ist zwar einfach, eigentlich aber gar nicht gut für mich. Das weiß ich auch, aber ich hinterfrage es nicht.

Genau das ist menschlich: Würden wir alle Entscheidungen, die wir am Tag treffen, gleich kritisch hinterfragen, wären wir konsequent überfordert. Unser Gehirn leistet zwar erstaunliches, aber das würde es überfordern [1]. Deswegen haben wir Gewohnheiten, die uns viele (unwichtige) Entscheidungen abnehmen. Das ist energetisch günstiger, weshalb uns die Evolution dahin entwickelt hat.
Wann ist eine Gewohnheit schlecht?
Insbesondere jetzt zum Jahreswechsel nehmen wir uns immer viel vor: Mehr Sport machen, mit dem Rauchen aufhören, sich gesund ernähren… der Liste der guten Vorsätze sind kaum Grenzen gesetzt. Meist stößt die Umsetzung der Vorsätze dann mit den schlechten Gewohnheiten zusammen: Das Sofakoma nach einem langen Arbeitstag, die morgendliche Zigarette auf dem Weg zur Ubahn oder die geliebte Pizza am Freitagabend… Diese schlechten Gewohnheiten sind hartnäckig, aber der Konflikt mit unseren Vorsätzen in diesen Fällen ist offensichtlich.
Im Hinblick auf einen nachhaltigen Lebensstil stößt man auf unscheinbare Gewohnheiten, die kaum hinterfragt werden. So sind wir Deutschen seit Jahrzehnten gewohnt, täglich Fleisch zu essen, was aus Klimaschutzaspekten aber gar nicht tragbar ist. Wir fahren selbst die kürzeste Strecke mit dem Auto, weil wir es so gewohnt sind. Wir fliegen mit dem Flugzeug in den Urlaub – wie jedes Jahr.

Greta Thunberg hat mit ihrem Engagement viele Menschen dazu gebracht, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Bewusstsein über sein Handeln und dessen Auswirkungen sind der erste und wichtigste Schritt, um etwas zu ändern, und diese Grundlage hat sie bei vielen gelegt. Aber die Fülle an Dingen, die jeder von uns täglich ökologisch gesehen falsch macht, erschwert es uns, die richtigen Hebel zu finden, um uns zum Positiven hin zu verändern.
Es gibt viele Ansätze, um den Wandel zu mehr Umweltbewusstsein in der Gesellschaft zu vollziehen – hier ist ganz klar zu großen Teilen die Politik gefragt. Auch Organisationen und Arbeitgeber können hier für ihre Mitarbeiter vieles umsetzen [2]: Macht der Arbeitgeber zum Beispiel das Parken kostenpflichtig, werden einige ihre Anfahrt überdenken. Im Fokus meines Blogs stehen aber die Individuen wie du und ich: Was können wir selber tun? Wenn wir uns unserer Fehlbarkeiten bewusst sind, wie können wir unser Verhalten ändern, und das auch konsequent?
Die 4 mächtigen Erfolgsfaktoren einer bleibenden Veränderung
Die Psychologie von Gewohnheiten bietet viele Ansätze, wie man diese durchbrechen oder durch neue ersetzen kann. Ich habe mich nie tiefer mit Psychologie auseinandergesetzt, sondern bin eher zufällig auf eine Möglichkeit gestoßen, die mir sehr geholfen hat und die ich jetzt immer wieder gezielt nutze: Der Experimentmonat.
Vor über 5 Jahren wohnte ich im Ausland und fuhr täglich etwa 9 Kilometer mit Bus und Bahn zu meiner Arbeit. Das war zermürbend, da es lange dauerte, voll und laut war, und über das ganze Jahr gesehen auch überraschend teuer. Ein Kollege sprach mich dann auf eine Bike2Work-Aktion an: Er suchte eine kleine Gruppe, die sich mit ihm darauf festlegte, den ganzen Juni mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Anfangs war ich skeptisch ob der langen, hügeligen Strecke, aber dann habe ich doch mitgemacht. Im Laufe des Monats gefiel mir das so gut, dass ich auch im Juli weitergeradelt bin… als ich im Dezember das neue Jahresticket für den ÖV bezahlten sollte, kaufte ich mir stattdessen ein neues Fahrrad. Seit diesem Experiment bin ich bike commuter mit Überzeugung, bei Wind und Wetter.

Das war mein erster Experimentmonat, auch wenn mir das zu dem Zeitpunkt nicht bewusst war. Aber warum hat es funktioniert? Ich habe die folgenden 4 Erfolgsfaktoren genutzt:
- Die Aussicht darauf, es nur einen Monat machen zu müssen und damit unverbindlich zu testen, schreckt weniger ab als die komplette Umstellung. Hätte mich jemand gefragt, ob ich ab jetzt immer Rad fahren will, hätte ich mich gar nicht darauf eingelassen.
- Ich hatte ein klares Ziel vor Augen: Den ganzen Juni Radfahren. Das ist ein SMARTes Ziel, denn es ist spezifisch, messbar, aktivierend, realistisch und terminiert. Diese Fomulierung hilft dabei, am Ball zu bleiben.
- Vor dem Experiment ist man gezwungen, alle betroffenen Gewohnheiten zu hinterfragen, darüber nachzudenken und Aufwände auf sich zu nehmen: Wie setze ich das um? Was brauche ich dafür? Der anstrengende Teil der Veränderung ist dann also schon passiert und man arrangiert sich damit – ist ja nur auf Zeit.
- Wenn der Monat dann läuft, durchbricht man immer wieder die alten Muster – und gewöhnt sich im Laufe des Monats an den Wandel, wie ich an das Radfahren. Da der Aufwand der Änderung nun schon vollzogen ist und man hoffentlich sogar die positiven Aspekte der Veränderung schon merkt, ist es dann nicht schwer, dabei zu bleiben.
Im Laufe des Monats ging es bei mir nicht mehr um das Erreichen des Ziels, nur den Juni zu fahren. Ich hatte Gefallen gefunden an der sportlichen Aktivität am Morgen, an der schönen Strecke und der bewussten Ruhepause für meinen Kopf vor und nach der Arbeit. Und ganz nebenher war mein Arbeitsweg nun auch noch komplett klimaneutral – ich sah plötzlich nur noch Vorteile, die mich motivierten, dabei zu bleiben. Genau das führt zum Erfolg des Experimentmonats.
Der Erfolg dieses damals noch unbewussten Experiments hat mir bewusst gemacht, dass so ein Monat des Extremversuches zu langfristigen Änderungen führen kann. Das nutze ich nun gezielt:
Mit der Januar-Challenge zum Erfolg

Jeden Januar stelle ich mir selbst eine Challenge und mache so einen gezielten Experimentmonat zum Jahresanfang. Natürlich kann man so etwas auch über jeden anderen Zeitraum machen; mir passt der Januar besonders gut, weil da meistens weniger los ist und man sich gerade im sozialen Leben so wenig einschränken muss. Da ich persönlich häufig Ernährungsthemen angreife, klappt das auch zum Jahresanfang besonders gut, denn nach der Weihnachtsvöllerei ist meine Hemmschwelle besonders niedrig.
Ziel ist es, eine ungewünschte Verhaltensweise zu durchbrechen, oder gar durch eine neue zu ersetzen. Das kann eine neue Ernährungsweise sein, ein sportliches Ziel oder ein nachhaltigerer Lebensstil… es sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache ist, ein Ziel zu haben und es über eine Zeit aktiv anzugehen, sich also damit intensiv auseinanderzusetzen. Es ist ein Prozess von 5 Schritten:
- Das eigene Verhalten hinterfragen: Suche dir etwas aus, was dich an dir selber richtig nervt, oder was dich näher an gewünschtes Verhalten bringt. Willst du nachhaltiger leben, abnehmen oder mit dem Rauchen aufhören? Nimm etwas, was dir ein gutes Gefühl gibt, wenn du es erreichst.
- Das Ziel definieren: Definiere ein klares, messbares und erreichbares, aber ambitioniertes Ziel, um diese Gewohnheit zu durchbrechen. Das Ziel soll dich motivieren und dir entlang des Weges kleine Erfolge ermöglichen. Versuche dein Ziel SMART zu formulieren, das wird dir über die Zeit helfen.
- Die Randbedingungen schaffen: Definiere einen Zeitraum, in dem du das Ziel erreichen willst, und schaffe die notwendigen Vorraussetzungen dafür, es durchziehen zu können.
- Den Wandel erleben: Arbeite über deinen Zeitraum an deinem Ziel und erfahre (hoffentlich) Erfolgserlebnisse!
- Das Erreichte bewerten: Betrachte nach Abschluss des Zeitraums, was du erreicht hast. Vieles davon hast du nun schon in deinem Leben integriert und kannst damit einfach weitermachen, wenn es dir gefällt.
Das Vorgehen zur Verhaltensänderung durch eine solche “Intervention” wie den Experimentmonat folgt grob [3], wo es wissenschaftlich belegt wurde. Ich suche mir dabei bewusst sehr ambitionierte Ziele, denn selbst wenn ich danach nicht weiter so extrem leben möchte, lernt man dabei am meisten und übernimmt zumindest Teilaspekte des extremen Lebenswandels in seinen Alltag.
Letztes Jahr war mein Ziel, im Januar mit besonders wenig Haushaltsgeld zu leben, dabei aber nachhaltig. Das hat dazu geführt, dass ich meine Ernährung gravierend und langfristig verändert habe: Seither koche ich quasi jeden Abend frisches Gemüse. Brot und verarbeitete Lebensmittel sind aus meiner Ernährung so gut wie verschwunden, ich lebe gesünder, mache viel weniger Müll und spare auch noch Geld.
Bald ist wieder Januar und dieses Mal geh ich meine Zuckerabhängigkeit an – eine ganz harte Nuss. Was sind eure unliebsten Gewohnheiten? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und eigene Tricks, diese zu ändern?

References:
[1] https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/seite-2
[2] https://doi.org/10.1002/job.1837
[3] https://doi.org/10.1080/17437199.2016.1219673