Mittlerweile finden wir selbst im normalen Supermarkt eine ganze Breite an unterschiedlichen Milchtüten: Neben den verschiedenen Fettgehalten und Haltbarkeiten steht dort Bio neben konventioneller Milch. Und dann ist da die Weidemilch als preisliches Zwischending zwischen konventioneller und Biomilch. Aber was zeichnet Weidemilch eigentlich aus? Und wann darf die Molkerei ihre Milch Weidemilch nennen? Die Antwort auf die 7 wichtigsten Fragen zum Thema Weidemilch findest du hier!
7. Was ist der Vorteil von Weidemilch?
Dem Verbraucher geht es beim Kauf von Bio- und Weidemilch natürlich primär um die Haltungsbedingungen – er möchte Milch von glücklichen Kühen, die den lieben langen Tag gemütlich auf der Weide grasen. Zu den Unterschieden in den Haltungsbedingungen kommen wir gleich.

Tatsächlich aber erwarten viele Verbraucher auch, dass Bio und selbst die konventionelle Weidemilch gesünder sind, also zum Beispiel eine bessere Nährstoffzusammensetzung mit höherem Vitamingehalt haben [1]. Leider ist genau das aber für Weidemilch bisher nicht nachgewiesen: Sehr viele Parameter haben Einfluss auf die Zusammensetzung der Milch, dazu gehören die Rasse und der allgemeine Gesundheitszustand der Kuh, die Zusammensetzung der Weide, das Wetter und die Jahreszeit… Das macht es extrem schwierig ist, den Einfluss allein des Weidezugangs zu messen [1]. Deswegen existieren viele Studien und noch mehr unterschiedliche Ergebnisse, zum Beispiel [2,3].
Ganz nebenher gibt es mittlerweile aber erste Anzeichen, dass Weidemilch sogar besser für das Klima ist, da die hauptsächlich auf dem Grasland lebenden Kühe weniger klimaschädliche Gase ausstoßen.
6. Wie sind die Haltungsbedingungen von Milchkühen in Deutschland?
In den letzten Jahren haben die Medien immer wieder über skandalöse Haltungsbedingungen von Tieren in der konventionellen Landwirtschaft berichtet. Vielleicht ist euch aber schon mal aufgefallen, dass man eher die Geflügel- und Schweinemastbetriebe zu sehen bekommt, aber keine Milchbetriebe. Woran liegt das? Als Bauerntochter kann ich hier einen Einblick geben.
Anders als Schweine und Geflügel in Mastbetrieben steht so eine Milchkuh wesentlich länger im Stall des Bauern: Sie beginnt erst nach der Geburt ihres ersten Kalbes, Milch zu geben, was üblicherweise im Alter von über zwei Jahren ist [4]. Der wirtschaftliche Wert einer Milchkuh für den Bauern ist also recht hoch, da er sie vor dem Beginn der Milchproduktion schon über 2 Jahre lang gefüttert und gepflegt hat. Je kleiner der Betrieb, umso wertvoller ist jede einzelne Kuh für den Landwirt.
Praktischerweise ist auch die Milchleistung, also wie viel Milch die Kuh dann geben kann, von ihrem Gesundheitszustand abhängig – auch deswegen ist der Landwirt bedacht, sich gut um das Tierwohl zu kümmern. Denn sein Verdienst ist abhängig von der Menge Milch, die er liefern kann. Nur eine gesunde und glückliche Kuh bringt ihm auch viel Milch.

Gesetzlich geregelt ist mittlerweile die Art des Stalls, in dem die Kuh lebt: Während es früher noch Anbindeställe hab, in denen die Kuh an einem festen Platz fixiert war, sind diese auch für die konventionelle Landwirtschaft seit 2013 verboten [5]. Der Großteil der Kühe in konventioneller Landwirtschaft lebt in Laufställen, in denen sie sich frei bewegen können mit abgetrennten Liegeflächen zur Ruhe. Die Mindestfläche pro Kuh beträgt hier 6 m² [5].
5. Stehen unsere Milchkühe täglich auf der Weide?
Zugang zu Weideflächen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Gerade die kleinen Betriebe hatten früher selbst in der konventionellen Landwirtschaft immer Weiden für ihre Tiere: Da hier jede einzelne Kuh einen wesentlichen Wert für den Bauern darstellte, wurde auch umso mehr Wert auf das Wohlbefinden des Tiers gelegt – da war Weidezugang eine Selbstverständlichkeit, da es sehr viele gesundheutliche Vorteile bietet.
Das EU-Bio-Siegel (© EU) Demeter-Siegel (© Demeter) Bioland-Siegel (© Bioland) Naturland-Siegel (© Naturland e.V.)
Mit den Bio-Siegeln wird auch Weidezugang vorgeschieben: Bei allen vier großen Siegeln von der EU, Bioland, Naturland und demeter wird neben den 6 m² Stallfläche auch 4,5 m² Auslaufläche gefordert, die zum Weidegang genutzt werden muss.
4. Wann darf eine Molkerei ihre konventionelle Milch als Weidemilch verkaufen?
Da der Weidegang nicht gesetzlich geregelt ist, stellt sich die Frage, was denn eine normale Milch nun zur Weidemilch macht. Leider gibt es in Deutschland keine gesetzliche Vorschrift, wie viel die Kuh wirklich auf der Weide war, um ihre Milch als Weidemilch betiteln zu können. Im Wesentliche heißt das, die Molkerei kann Weidemilch draufschreiben, wenn die Kuh auch nur eine Woche im Jahr auf der Weide stand.
Die meisten Marken orientieren sich an der Regel, dass die Tiere an 120 Tagen im Jahr für mindestens 6 Stunden auf der Weide standen [6]. Von befreundeten Bauern weiß ich auch, dass es tatsächlich bei manchen Molkereien sporadische Überprüfungen gibt, aber wirklich kontrollieren kann das natürlich niemand. Deswegen sehe ich es sehr positiv, dass es mitttlerweile ein Weidemilch-Label gibt:

Mit diesem Label werden die mindestens 120 Tage mit je 6 Stunden Weidegang pro Jahr vorgeschrieben und regelmäßig kontrolliert.
3. Warum wird Weidezugang für Kühe immer seltener?
Laut Bundeszentrum für Ernährung hat der Anteil an Milchkühen mit Weidezugang in den letzten Jahren stark abgenommen [5]. Wenn man bedenkt, dass der Weidegang so gut für die Gesundheit der Kühe, ihre Lebensqualität und auch die produzierte Milchmenge ist, scheint das verwunderlich.
Leider sind in den letzten Jahrzehnten die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe massiv ausgestorben: Von ursprünglich über 904.700 Betrieben im Jahr 1975 sind im Jahr 2019 nur noch 266.600 erhalten [7] – das sind gerade mal 33 %. Das heißt, 2/3 aller Bauernhöfe haben aufgegeben. In Großbetrieben der Massentierhaltung ist der Wert einer einzelnen Kuh nicht mehr so relevant – da wird dann auch schnell an der Weide gespart, da Weidezugang teuer und aufwändig ist. Die kleinen Betriebe, wo der Bauer die Kuh noch beim Namen kennt, gibt es kaum mehr.
2. Wie hat das mit Agrarpolitik zu tun?
Die derzeitige Agrarpolitik begünstigt größere Höfe und hat zusammen mit der schlechten Milchpreisentwicklung der letzten Jahre zu dieser Situation geführt. Deswegen stehen am 18. Januar Tausende von Bauern in Berlin zur Wir-haben-es-satt-Demo auf der Grünen Woche! Da Agrarsubventionen anhand der Fläche des Hofes verteilt werden, können die kleinen Bauern im Preiskampf gegen industrielle Großbetriebe mit Hunderten von Kühen nicht standhalten. Dabei betreiben gerade die kleinen Betriebe oft auch ohne Bio-Siegel sinnvolle, klima- und artgerechte Tierhaltung. Haltungsbedingungen spielen bei der Verteilung der Gelder keine Rolle – und das muss sich ändern.
1. Was können wir alle für besseres Tierwohl bei Milchkühen tun?
Die derzeitige Agrarpolitik begünstigt weiterhin Großbetriebe, die schlecht für Tierwohl und Klima sind. Umso mehr müssen wir handeln! Wie so oft haben wir es auch hier wieder in der Hand – über unser Konsumverhalten:
- Beim Kauf von Milch ist Bio- oder Weidemilch besser für das Tierwohl als konventionelle. Auch wenn die Qualität nicht unbedingt besser ist, hatte diese Kuh immerhin Auslauf.
- Besser noch ist Milch vom lokalen Bauern oder der Milchtankstelle, wenn es sowas in deiner Nähe gibt! Hier kann man sich selbst vergewissern, dass die Kühe regelmässig auf der Weide sind.
- Für das Klima ist pflanzliche Milch ideal, da tierische Produkte einen wesentlich höheren ökologischen Fußabdruck haben als pflanzliche. Dafür muss dann auch gar nicht erst eine Kuh gehalten werden.
Und ganz nebenher können wir politisch aktiv werden und die Änderung der gesetzlichen Vorschriften fordern: Nicht nur die Verbraucher, auch die Bauern wünschen die gerechte Verteilung der Agrarsubventionen, da so Tierwohl wieder eine Rolle spielen kann. Also ab nach Berlin!

References:
[1] https://www.journalofdairyscience.org/article/S0022-0302(14)00837-6/pdf
[2] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0958694614002271
[3] https://www.agriculturejournals.cz/publicFiles/510_2012-CJFS.pdf
[4] https://www.bauernhof.net/enzyklopaedie/kategorie/kuh-lexikon/
[5] https://www.bzfe.de/inhalt/milch-milchkuh-haltung-6966.html
[6] https://www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/themen/ernaehrung-lebensmittel/weidemilch-werbestrategie-verlaessliche-bezeichnung
[7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36094/umfrage/landwirtschaft—anzahl-der-betriebe-in-deutschland/