Ich werde oft gefragt, warum meine Blogposts und Lifehacks so wenig ambitioniert sind und eher moderate Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit machen. Da wir uns in einer Klimakrise befinden, sind radikale Veränderungen nötig. Diese Frage möchte ich heute mit Zahlen beantworten.
Radikale Veränderungen fördern die Spaltung der Gesellschaft
In Deutschland bekommen die Grünen immer mehr Stimmen, aber auch die Rechten. Die Fridays For Future Bewegung bekommt mehr und mehr Zuspruch, und doch wachsen die Gegenbewegungen. Vielen Menschen sorgen sich, dass der Klimaschutzaktivismus ihren Lebensstil bedroht.
Die effizientesten Veränderungen im Lebensstil zu mehr Klimaschutz sind auch die radikalsten – so wie ein Wechsel zu einer veganen Ernährung oder das Aufgeben des eigenen Autos. Sie bringen also immer auch das Aufgeben der persönlichen Freiheit mit sich – sei es die Wahlfreiheit beim Essen oder die Bewegungsfreiheit – und zwar für das große Ganze. Wann immer wir im Protest mehr Veganer fordern, fühlen sich andere von dieser Forderung in ihrer Freiheit bedroht – denn sie möchten nicht gezwungen sein zu tun, was wir gewillt sind zu tun.

Natürlich möchte jeder seine Freiheit verteidigen – sie ist nicht nur essentiell, sie ist das grundlegenste und wichtigste Menschenrecht. Wenn Menschen sich in ihrer Freiheit bedroht sehen, werden sie sich immer wehren – und im schlimmsten Fall allein deswegen einen Wandel zu einem klimafreundlicheren Lebensstil nicht akzeptieren.
Stattdessen möchte ich einfache Wege aufweisen, wie man nachhaltiger und klimafreundlich leben kann, ohne dass sich jemand in seiner Freiheit bedroht fühlt: Indem ich Wege aufzeige, die das Leben nicht stark einschränken. Meine Hoffnung ist es, so viel mehr Menschen zu erreichen. Denn mit vielen Menschen, die so handeln, können wir die Welt wirklich verändern – mit jedem kleinen Schritt!
Wie Flexitarier die Welt retten könnten
Als Beispiel habe ich mal für das Vegetariertum gerechnet: Natürlich wäre der Wechsel zu fleischloser Ernärung für das Klima am besten. Die Produktion tierischer Produkte wie Fleisch erzeugt massive Mengen an Treibhausgasen, viel mehr als die der meisten Gemüse. Aber fleischlos zu leben ist eine Einschränkung: Nur 0.95 % aller Deutschen lebten 2019 vegan, nur 7 % vegetarisch [1]. Und das, obwohl etwa 80 % der Deutschen die Fridays For Future Bewegung unterstützen [2]. Das bedeutet also, dass 80 % die Klimakrise verstanden haben und etwas dagegen tun wollen – aber trotzdem nicht fleischlos leben wollen.
Statt nun einzufordern, dass alle vegan oder vegetarisch leben müssen, sollten wir daher die Menschen überzeugen, weniger Fleisch zu essen: Das ist viel einfacher, schränkt den Alltag kaum ein und stellt daher keine Bedrohung der Freiheit dar. Deswegen können wir wesentlich mehr Menschen zu einer Reduktion ihres Fleischkonsums bewegen als zu einer gänzlich fleischlosen Ernährung – und damit mehr erreichen!

Das Resultat? Wenn wir das über die ganze Gesellschaft betrachten, erreichen wir so eine Reduktion unseres ökologischen Fußabdrucks. Und genau diese große Betrachtung ist wichtig! Lasst uns mal rechnen:
Das today-Scenario: Momentan leben in Deutschland etwa 81.6 Millionen Menschen. Diese essen im Schnitt pro Jahr 30 kg Schweinefleisch, 13 kg Geflügel und 10 kg Rindfleisch [3]. Wenn wir jetzt typische Treibhausgasemissionen für die Produktion dieser Nahrungsmittel wie von hier zu Grunde legen, erzeugt also jeder Deutsche im Schnitt über 350 kg CO2-Äquivalent im Jahr allein für die Fleischproduktion – für ganz Deutschland sind das unglaubliche 28.700 Millionen Kilos, also 28.700.000.000 Kilo!
Das every-second-day-Scenario: Wenn wir nun gerade mal 60% der Deutschen überzeugen können, nur noch jeden zweiten Tag Fleisch zu essen, sinkt die Summe schon auf 20.100 Millionen Kilo: Das ist schon ein Drittel weniger! Da der Effekt auf den Alltag dieser 60 % der Deutschen gering ist, ist das also auch sehr realistisch zu erreichen.
Das Flexitatian-Scenario: Wenn wir nun unsere 60 % der Willigen überzeugen, Fleisch nur noch am Wochenende zu essen, senken wir die Treibhausgasemission weiter runter auf nur noch 16.400 Millionen Kilos, also fast die Hälfte von dem, was wir derzeit produzieren!
Das Vegetarier-Scenario: Wenn wir statt all dem versuchen, die aktuelle Zahl der Vegetarier zu verdoppeln, produzieren wir noch immer 24.700 Millionen Kilos.
Genug Zahlen, so sieht man es deutlich:
Wenn wir uns die Gesamtsumme an Treibhausgas nur durch den Fleischkonsum der Deutschen über diese Szenarien ansehen, erreichen wir die größte Reduktion durch das Flexitarier-Szenario. Da dieses auf die Menschen keine so starke Einschränkung ausübt, ist auch eine Akzeptanz für 60 % der Deutschen realistisch. Um die gleiche Reduktion zu erreichen, müssten 55 % ganz vegetarisch leben – was viel unwahrscheinlicher ist!
Natürlich mache ich hier einige Annahmen und rechne auch nur für Fleisch, ohne diese bei den Vegetariern durch andere Beitrage zu ersetzen. Trotzdem unterstreicht diese Rechnung meinen Punkt:
Warum große Zahlen so wichtig sind
Das Gesetz der großen Zahlen aus der Mathematik ist etwas ganz anderes. Hier geht es um den Effekt, den wir auf unsere Umwelt und unser Klima haben können, wenn wir alle zusammen unser Verhalten anpassen. Das hat den größten Einfluss und nur das ist unsere Chance. Wenn nur wenig Menschen mitmachen und ihr Verhalten radikal verändern, erreichen wir bei weitem nicht so viel, um unsere Erde vor dem Klimawandel zu retten. Deswegen müssen wir kleine Schritte machen. Jede Veränderung erzeugt Widerstand; je radikaler sie ist, umso stärker der Widerstand. Wenn wir alle zusammen kleine Schritte machen, erreichen wir eine größere Akzeptanz in der Gesellschaft und so einen größeren Effekt durch die großen Zahlen. Also helft uns alle zusammen: Sagt es weiter, motiviert andere! Spread the word!

References:
[1] https://de.statista.com/themen/2636/fleischverzicht/
[2] https://blog.campact.de/2019/05/klima-umfrage/
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36573/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-fleisch-in-deutschland-seit-2000/