Nach Monaten im Homeoffice geht es für die meisten mittlerweile zumindest teilweise wieder zurück an den Arbeitsplatz. Aber solange das Virus noch eine Bedrohung darstellt und wir keine Impfung haben, erscheint vielen der Arbeitsweg mit dem öffentlichen Nahverkehr als unnötiges Risiko. Gibt es da nicht eine Alternative, die weniger riskant und trotzdem gut für die Umwelt ist?
Warum ich mit dem Rad zur Arbeit fahre: Eine Liebesgeschichte auf den zweiten Blick
Vor etwa 6 Jahren arbeitete ich als Doktorandin in einer Stadt mit einem unglaublich gutem öffentlichen Nahverkehrssystem. Jeden Tag machte ich mich mit Bus und Bahn auf den etwa 9 Kilometer langen Weg hoch zu dem Labor auf einem Berg, einige Hundert Meter über der Stadt. Irgendwann haben mich meine Kollegen zur Teilnahme an einem Wettbewerb überredet, für den wir alle gemeinsam einen Monat lang mit dem Rad zur Arbeit kommen sollten. Der Gruppenzwang wirkte, ich nahm teil und litt in den ersten Wochen gewaltig – doch dann machte es plötzlich Spass. Nach diesem ersten Monat bin ich nicht wieder in den Bus eingestiegen und bin seither überzeugte Radpendlerin.

Die Vorteile des Pendelns mit dem Rad
Gerade zur Zeit bringt diese Fortbewegungsart kein Infektionsrisiko mit sich. Außerdem ist es sehr günstig: Mein erstes Pendlerfahrrad war gebraucht und daher sehr günstig, hat mich aber trotzdem jahrelang begleitet. Laufende Kosten gibt es abgesehen von ein paar Ersatzteilen ab und zu nicht. Reparaturen muss man nicht machen lassen, sondern kann sich hier Hilfe von Freunden oder offenen Gemeinschaftswerkstätten holen. Dann lernt man auch, wie man sich selber helfen kann!
Das Rad ist das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, denn es stößt gar keine Emissionen aus. Besser noch, als Radfahrer bekommst du durch die zusätzliche Bewegung im Alltag auch die gesundheitlichen Vorteile zu spüren. Für mich persönlich ist der beste Nebeneffekt allerdings der psychologische: Die Zeit auf dem Fahrrad am Morgen ermöglicht mir, mich mental für den Tag zu wappnen. Nach einem stressigen Tag in der Arbeit habe ich so außerdem die Möglichkeit, mit der Arbeit für den Tag abzuschließen und die Sorgen hinter mir zu lassen auf dem Weg nach Hause.
Ganz ohne Nachteile ist das Radpendeln aber nicht
Neben all diesen positiven Effekten gibt es aber auch Nachteile: Für die meisten ist Radfahren unvereinbar mit einem gepflegtem Auftritt im Büro. Natürlich schwitzt du umso mehr auf dem Weg zur Arbeit, je aktiver dein Weg dorthin ist. Daher ist etwas Vorbereitungszeit nötig, damit man dir danach im Büro deinen Sport nicht ansieht. Als ich anfing mit dem Rad zu pendeln, hatte ich hoch oben auf dem Berg die besten Bedingungen: Eine Umkleide mit Dusche, die ich jeden Morgen nutzen konnte. Aber auch wenn man das nicht hat, kann man sich notfalls auch auf der Toilette umziehen und auffrischen.
Natürlich ist man auf dem Rad auch der Natur viel mehr ausgesetzt. Ohne eine gute Regenjacke kann das sehr unangenehm werden. Für viele ist das nichts, und das ist auch nachvollziehbar. Aber selbst wenn man sich nur an den sonnigen Tagen aufs Rad schwingt, hat man selbst und die Umwelt schon etwas gewonnen! Ist der Arbeitsweg zu lang oder anstrengend, kann ein E-Bike oder auch eine Teilstrecke auf dem Rad schon helfen.
Das größte Problem ist aber wohl das Risiko: Obwohl die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland jedes Jahr sinkt, so nimmt die der verunglückten Radfahrer kaum ab, teilweise sogar zu [1,2]. Als Radfahrer ist man ständig einem Risiko ausgesetzt durch andere Verkehrsteilnehmer, was in Teilen durch die schlechte Sichtbarkeit im Winter, aber auch einfach zu wenig Schutz für Fahrräder begründet ist. Gerade in Städten gibt es häufig zu wenig Fahrradstreifen oder diese werden von anderen Verkehrsteilnehmern missbraucht, was die Radfahrer unnötig gefährdet. Auf meiner üblichen Strecke erlebe ich quasi täglich gefährliche Situationen, aber hatte bisher noch nie einen ernsthaften Unfall. Dabei hatte ich sicherlich mehr als einmal einfach nur Glück.
Der beste Umgang damit ist der Selbstschutz, so gut es nur geht: Ich fahre nie ohne Helm und trage gerade im Winter möglichst helle und reflektierende Sachen. Mein Rad hat neben dem normalen Vorder- und Rücklicht zusätzliche (und vermutlich gar nicht so ganz erlaubte) bunte Blinklichter für besonders dunkle Fahrten. Vor allem aber bin ich immer auf der Hut: Selbst wenn ich Vorfahrt habe, achte ich besonders stark auf meine Umgebung und schau lieber noch zwei Mal hinter mich. Das hat mich mehr als nur einmal vor einem Unfall gerettet.
Die Zukunft der Stadt sieht anders aus: Sei Teil dieser Zukunft!
Wenn wir uns unsere Städte heutzutage ansehen, ist klar, dass sich hier viel ändern muss: Autos benötigen zu viel Platz auf den Straßen und befördern dafür doch zu wenig Menschen, sind zu wenig energieeffizient und verursachen zu viele Emissionen. Mehr Platz für Radwege zur Verfügung zu stellen führt zu sauberer Luft, entschleunigt den Klimawandel und kürzt Studien zufolge auch die durchschnittlichen Reisezeiten [3]! Die daher so dringend notwendige Veränderung unserer Städte hin zur grünen Mobilität fordert unsere Politik. Um hierfür mehr Druck auszuüben, ist heute der beste Tag, um aufs Rad zu steigen: Jedes einzelne Rad senkt nicht nur sofort Emissionen, sondern schafft Bewusstsein für den Bedarf nach einer Verkehrswende!

Wie kommt ihr zur Arbeit? Oder seid ihr noch im Homeoffice? Wie steht ihr zum Fahrradfahren?
References:
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1041872/umfrage/getoetete-fahrradfahrer-im-strassenverkehr-in-deutschland/
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185/umfrage/todesfaelle-im-strassenverkehr/
[3] http://h2020-flow.eu/uploads/tx_news/FLOW_REPORT_-_Portfolio_of_Measures_v_06_web.pdf